Ort der Verehrung und des Trostes für Kranke
In der vorderen östlichen Seitenkapelle des Hauptschiffs von St. Michael steht ein handwerkliches Meisterwerk, der Kosmas-Damian-Schrein. Er bewahrt die Erinnerung an zwei Menschen, die die ärztliche Kunst von Menschen gelernt hatten und sie zugleich als Charisma, als Gottesgabe verstanden. Ihre Fähigkeit setzten sie ein, um Menschen und Tiere zu heilen. Für sich selbst verlangten sie dafür „kein Gut“. Diese Erinnerung ist kostbar und echt.
Der um 1420 in Bremen gefertigte Schrein hat die Form einer langgestreckten Kirche mit Satteldach in den Maßen 116 cm x 83 cm x 50 cm. Mit großem Detailreichtum wurde er aus Eichenholz geschnitzt, dazu kunstvoll mit vergoldeten Silberblechen beplankt und mit Bergkristallen und blau durchscheinenden Emailplättchen verziert. Der Schrein kam 1649 durch Vermittlung von Kurfürst Maximilian I. nach München, wo er in einer feierlichen Prozession in die Michaelskirche überführt wurde.
Öffnet man den Schrein, so zeigen die Innenseiten der Türflügel Malereien aus dem Leben der beiden Schutzpatrone der medizinischen Berufe und der Kranken. Im mit Seide ausgeschlagenen Inneren liegen zwei perlenbestickte Kissen, auf denen die zwei kostbar gefassten Schädelreliquien der Heiligen ruhen. Kosmas und Damian waren Brüder oder Zwillingsbrüder, die im 3. Jahrhundert in Syrien gelebt haben. Sie wurden schon zu Lebzeiten verehrt, weil sie Kranke behandelt haben und auf jedes Honorar verzichteten. Über Rom kamen ihre Reliquien im Jahr 965 nach Bremen, wo dann der Schrein für ihre würdevolle Aufbewahrung nach dem Vorbild älterer rheinischer Reliquienschreine gefertigt wurde. Der Gedenktag der Heiligen Kosmas und Damian ist am 26. September.
An jedem dritten Mittwoch im Monat wird um 18 Uhr in der Kirche St. Michael im Zentrum der Münchner Innenstadt ein Krankengottesdienst gefeiert. Dazu wird das Gitter vor der Kapelle frei gegeben und der Schrein geöffnet. Ein Priester spendet den Kranken und ihren Angehörigen den Einzelsegen und versichert sie der besonderen Zuwendung Gottes.
St. Michael ist der erste und größte Renaissancebau nördlich der Alpen und prägte für zwei Jahrhunderte den Kirchenbau in Süddeutschland. Münchens Straßen und Gassen waren eng wie in allen mittelalterlichen Städten. Da war kein Platz, um große Fassaden zu bewundern. St. Michael erhielt als Erste ein große Schauwand, Fassade genannt (italien. faccia, Gesicht). Die Kirche wurde nicht mehr geostet, obwohl das in den ersten Plänen vorgesehen war. Der gesamte Bau sollte in die Stadtarchitektur eingepasst werden.