Impuls Monatsanzeiger Juni 2025
Papa Leone – der Löwe aus Amerika

Die Wahl von Papst Leo XIV. hat uns alle überrascht. Als ich sah, wie die Kardinäle am 7. Mai in ihren roten Gewändern in die Sixtinische Kapelle einzogen, war ich selbst zunächst etwas befremdet über die archaische Wirkung der Bilder von dieser Prozession unter den Klängen der Allerheiligenlitanei. Ungewohnt schnell hatten sich die Kardinäle dann doch geeinigt, obwohl doch vorher ein langes Konklave vorausgesagt worden war. Hieß es vorher allenthalben, die Kirche sei tief gespalten und warte auf einen Vermittler und Versöhner.
Völlig unerwartet kam die Wahl eines US-Amerikaners, den zudem die meisten Vaticanisti überhaupt nicht auf dem Schirm hatten, obwohl sein Lebenslauf eine unglaubliche Fülle an bisherigen Aufgaben und beeindruckende Sprachkompetenzen auflistet. Eine ebenso große Überraschung ist, dass nach dem ersten Jesuiten auf dem Stuhl Petri nun mit dem ersten Augustiner die Leitung der universalen Kirche wiederum einem Ordensmann anvertraut wurde.
Was mich selbst am meisten überraschte, war das enorme Interesse der Medien und der gesamten Weltöffentlichkeit an den Bildern von den Möwen am Schornstein und dem sich füllenden Petersplatz. Fast 5.000 Medienschaffende waren vor Ort. In Italien übertrugen alle Fernsehsender live, wie der Neugewählte auf der Mittelloggia vom Frieden sprach, der von Christus her „demütig“ und „waffenlos“ sein müsse. Bilder des Papstes und Berichte über seine ersten Tätigkeiten und Begegnungen waren die Aufmacher in allen Zeitungen und überfluteten die Social Media Kanäle. Mich hat sehr gefreut, mit welch großer Anteilnahme die anderen christlichen Kirchen den Moment verfolgten und dass neben den vielen Staatschefs auch Vertreter anderer Religionen zur Einführung kamen.
Was das eigentlich bedeutet, braucht wohl ein längeres Nachdenken. Haben wir als Kirche also doch (noch?) die Fähigkeit, uns in einer globalisierten Welt verständlich zu machen? Natürlich sind die Erwartungen an den einen Menschen, der ein solches Amt übernimmt, wahnsinnig groß und wohl kaum zu erfüllen. Die letzten Wochen haben mich tief bewegt. Möge es Leo XIV. gelingen, Brücken zu bauen innerhalb der Kirche und die Gesellschaft hinein. Mein Gebet wird ihn jedenfalls begleiten!
P. Martin Stark SJ
Kirchenrektor