News - Versöhnung - untereinander und mit Gott

Versöhnung - untereinander und mit Gott

Respekt vor Gott statt Gleichgültigkeit: Pater Bernhard Heindl SJ reflektiert über Versöhnung, Ehrfurcht und die Relevanz Gottes in einer individualistischen Zeit.

Ein Gespräch, das harmlos begonnen hat, wird zum heftigen Streit. Man ist alles andere als einer Meinung, man provoziert sich gegenseitig und am Ende fallen Worte, die verletzen. Wenn es gut läuft, meldet sich tags darauf das schlechte Gewissen, untrüglicher Indikator dafür, zu weit gegangen zu sein. Vielleicht geht man innerlich nochmals seine Argumente durch, wie klug und stimmig sie waren, versucht sich in inneren Monologen selbst zu rechtfertigen, doch das Gewissen lässt keine Ruhe: Man ist zu weit gegangen und das an den Tag gelegte Verhalten, die gewählten Worte waren respektlos mit Blick auf das Gegenüber! Ich sollte Versöhnung suchen!

Versöhnung mit Gott: Warum Ehrfurcht wichtig bleibt

Wie ist das eigentlich mit Gott als Gegenüber? Ist er noch geeignet, ein schlechtes Gewissen zu bekommen? Kann man sich mit ihm noch in die Wolle kriegen oder wird das immer schwieriger, weil er ohnehin meint, was ich meine? Gott, hat er sich im individualistischen Denken unserer Zeit so an mich, meine Meinung, Wünsche, Einschätzungen, Vorstellungen, angeglichen, dass da kein Konflikt mehr aufkommt? Sehen wir ihn unterdessen durch so viele Weichzeichner-Linsen, dass er keine Konturen, keine Ecken und Kanten mehr hat? Die Kirche macht Probleme, an ihr kann man sich stoßen, an Gott nicht, er ist eine runde Sache geworden. Ein alter, pensionierter Priester sagte nachdenklich zu mir, seiner Generation sei es gelungen, Gott aus dem strengen und strafenden Eck herauszubekommen, aber es sei ihr nicht gelungen, Gott eine neue Relevanz zu geben.

Ich will nicht den Rückwärtsgang einlegen, ich will nicht zurück zu einem Gott, der mich das Fürchten lehrt. Ich will Gott als relevantes, bedeutsames Gegenüber ehren. Ich will ihn nicht als Echo meiner selbst verstehen, sondern als ein Gegenüber, dem ich mit Respekt, mit Ehrfurcht begegne. Gott, ein Gegenüber, auf dessen Antwort ich gespannt und respektvoll warte.

Gottes Größe und Bedeutsamkeit erahne ich unwillkürlich, erfasse ich intuitiv in Momenten des Staunens über die Schönheit der Schöpfung. Ich kann Gott alle möglichen Fragen stellen, aber ein Gipfelblick, ein Tag am Meer, eine unberührte Waldlichtung auf einer Wanderung lassen mich still werden. Dann ist keine Frage in mir, sondern ein einfaches Bekenntnis: All das ist so wunderschön! Gott, du musst großartig sein.

Gottes Relevanz in einer individualistischen Welt wiederentdecken

Ich schaue die Nachrichten an, höre Schreckensbotschaften und sehe Bilder von Krieg und Gewalt. Es übersteigt mitunter mein Fassungsvermögen, wie können Menschen Menschen das antun?! Ich stelle diese Frage nicht Gott, sondern uns. Ein menschgewordener Gott, der sich menschlicher Gewalt auslieferte, scheint mir nicht das passende Gegenüber für diese Frage. Ich frage uns, warum wir den göttlichen Nachhilfeunterricht nicht annehmen wollen, wie lange es noch dauert, bis es unsere Herzen erreicht, wie der menschgewordene Gott sich Menschsein wünscht?

Sich mit Gott versöhnen, meine Respektlosigkeiten ihm gegenüber erkennen, wo ich die Achtung, die Ehrfurcht vor ihm als Schöpfer und Erlöser verloren habe und der ehrlichen Erkenntnis nicht ausweichen, dass dies nicht in Ordnung ist!

Es ist nicht in Ordnung, dass wir Gottes wunderbare Schöpfung, die er all seinen Geschöpfen zur Verfügung stellt, zum Verhandlungs-, zum Deal-Objekt machen und nach den Regeln des Stärkeren veräußern. Es bräuchte eine Entschuldigung für diese Respektlosigkeit! Es ist nicht in Ordnung, dass wir einander quälen, foltern, verhungern lassen und kriegerisch ermorden, als ob Gott, den wir als Erlöser aller Menschen bekennen, uns keine bessere Lösung von Menschsein vorgelebt hätte! Es braucht eine Entschuldigung für diese Ignoranz!

Ich werde die Bilder nie vergessen: Am 27. März 2020, Papst Franziskus betet auf dem menschenleeren Petersplatz für eine Ende der Corona-Pandemie. Für manche eine Rückkehr ins Mittelalter, für mich Bilder der Ehrfurcht, des Respekts, Gott um Hilfe zu bitten, ihn als relevantes Gegenüber zu würdigen.
 

Papst Franziskus hat die Menschheit damals zu Nächstenliebe und dem Erkennen der wirklichen Prioritäten im Leben aufgerufen. Es sei nicht die Zeit des Urteils Gottes, sondern unseres Urteils. Wie wollen wir leben, welche Prioritäten setzen wir? Für mich hat Ehrfurcht eine Priorität gewonnen. Ich möchte Gott nicht gönner- und kumpelhaft meine Meinung unterstellen. Ich will ihn aufrichtig fragen, wo ich ihm respektlos und ignorant begegne, wo ich zu weit gegangen bin.

Pater Bernhard Heindl SJ
Jesuit und geistlicher Mitarbeiter der Glaubensorientierung der Erzdiözese München und Freising

Der Text ist freundlicherweise übernommen aus [inne]halten, dem Magazin für Gesellschaft, gutes Leben und Spiritualität - 7/2025 vom 30. März 2025.