News - Gedanken zum Evangelium des Sonntags

Sünde und Sünder unterscheiden

,,Gott beruft nicht die Qualifizierten, er qualifiziert die Berufenen." So endete einmal eine Predigt zu diesem Evangelium. Der Prediger war noch jung und in Ausbildung. Wer ehrlich ist, wird sagen; dass der seelsorgliche Beruf die eigenen Unzulänglichkeiten schnell bewusst macht. Man kann das nicht alles können, was man da können soll. Es braucht so etwas wie eine Qualifizierung im Moment und mit der Zeit - aus Gottes Hilfe. Das rechte Wort zur rechten Zeit, hier Frieden stiften, dort den Konflikt aushalten, für Senioren da sein und auch für Kinder und alles dazwischen, singen, reden, schweigen (!) können, mit den Trauernden weinen und mir den Lachenden sich freuen können, nah bei den Menschen, nah bei Gott, die Aufgabe hat es in sich. Sie kann nicht aus eigener Kraft allein bestanden werden.

Da ist aber noch etwas anderes, das sich schon als Scheu vor manchen Aspekten dieses Berufes zeigt, die ehrenamtlich ausgeübt werden: beim Ministrieren, Vorlesen oder Kommunionausteilen: Das ist die Scheu vor dem Heiligen. Muss, so kann man sich fragen, wer das Wort Gottes liest, nicht auch danach leben? Darf, um es mit der Lesung zu sagen, als Lektorin und Lektor in Gottes Namen sprechen, wer nicht auch sonst nur das gute Wort zu sagen weiß (siehe Erste Lesung)? In dieser Frage steckt eine positive Scheu davor, die Aufgabe in ihrer Bedeutung zu unterschätzen. Wer bin ich, dass ich das tun darf? Das Heilige, wo wir es erfahren, lässt uns erleben: Ich bin dem nicht gewachsen. Ich bin ein Sünder! Petrus erfährt das vor Jesus. Positiv steckt darin: Ich bin nicht Gottes bester Kumpel, wir sind nicht einfach auf Du und Du. Darf ein Sünder, darf eine Sünderin ministrieren, lesen, Kommunion austeilen, zelebrieren? ,Wer denn sonst?", lautet die Gegenfrage. Wen hat Gott denn sonst? Wir sind alle Sünder. Jedoch: Die Sünde soll die Aufgabe nicht prägen, die wir ausüben. Darf sich Reichtum zur Schau stellen, wenn gelesen wird: „Selig die Armen?" Darf sich jede Eitelkeit aufführen, wenn die Zelebranz mit einer Kniebeuge beginnt? Soll die Hand, die gerne schlägt, die Kommunion austeilen? Von Schlimmerem will ich gar nicht reden. Nein! Gott beruft nicht die Sünde noch rechtfertigt er sie. Auf die Unterscheidung von Sünde und Sünder kommt es an, weil wir das Heilige nicht mit Unheil verbinden dürfen. Das Heilige soll prägen, nicht sein Gegenteil.

Ja, es stimmt: Wir sind keine Heiligen! Aber das Eingeständnis ist für Gott kein Hindernis, wo es nicht der Rechtfertigung der Sünde dient oder einer „Vertuschung im Amt": Er beruft nicht die Heiligen, er heiligt die Berufenen, könnte man in Anlehnung an das Eingangswort sagen. Er führt, er entwickelt, er wirkt Heil, wo unsere Dienste im Umgang mit dem Heiligen noch nicht alles von jener anfänglichen Scheu verloren haben. Und das ist gut so. Wer bin ich letztlich? Die und der, die er gerufen hat. Wer das noch weiß, darf sagen: Sende mich!

Thomas Hürten
Pastoralreferent und Fachreferent in der Glaubensorientierung in St. Michael

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5. Sonntag im Jahreskreis (C)

1. Lesung: Jes 6,1-2a.3-8 ("Hier bin ich, sende mich")
Antwortpsalm Ps 138 (137), 1–2b.2c–3.4–5.7c–8
2. Lesung: 1 Kor 15,1-11 [1Kor 15,3-8.11] ("Das ist unsere Botschaft und das ist der Glaube, den ihr angenommen habt")
Evangelium: Lk 5, 1-11 ("Sie verließen alles und folgten ihm nach")


Artikel mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Münchner Kirchenzeitung vom 6. Februar 2022 / Nr. 6.

Thomas Hürten
Pastoralreferent, Fachreferent
Fon +49 / 89 / 21 37 - 2402
THuerten(at)eomuc.de

Foto: MKZ