News - Aber das ist doch ein jüdischer Name!

Impuls Monatsanzeiger Juni 2024

Aber das ist doch ein jüdischer Name!

Von P. Andreas R. Batlogg SJ

Anfang Mai habe ich die kleine Rahel Johanna getauft. Als ihre Eltern den Namen ihres Kindes nannten, reagierten manche Bekannte irritiert: Rahel? Das ist doch ein jüdischer Name! Ja, so wie auch Daniel oder David, Elias oder Noah, Jakob oder Benjamin. Oder Maria/Mirjam, Hannah, Naomi, Rebekka, Judith, Ruth oder Tabea. Es ist schön, dass es seit einiger Zeit eine Renaissance biblischer Namen gibt. Rahel bedeutet nicht nur „Mutterschaf“, sondern auch „Gottes Barmherzigkeit“. Mit ihrem Namen erinnert uns Rahel daran, worauf wir alle angewiesen sind.

Das Christentum ist ohne das Judentum nicht zu verstehen. Dort liegen unsere Wurzeln. Jesus war Jude. Kein Arier. „Nach der damaligen Rassenideologie“, so der deutsche Priester Manfred Deselaers, der seit 33 Jahren in Oświęcim-Auschwitz lebt, „hätten Jesus, Maria und alle Apostel hier vergast werden müssen.“ Jüdische Namen sind schöne Namen. Auch weil sie Geschichten von Gott mit Menschen erzählen. Wir wissen oft viel zu wenig darüber.

Die Christenheit hat Juden als auserwähltes Volk, als „Gottes erste Liebe“ (Friedrich Heer), nicht abgelöst („Substitutionslehre“). In der Theologie haben Antijudaismus und Israelvergessenheit heute keinen Platz mehr. Wir alle sind „Nachkommen Abrahams“. Juden bleibt der „Bund“ aber angeboten – „unwiderruflich“, wie die Konzilserklärung „Nostra aetate“ über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen festhält (NA 4). Die „Verheißungen“ Gottes gelten ihnen zuerst. Und sie sind weder „Gottesmörder“ noch „verworfen“ oder „verflucht“. Ursprünglich als „Judendekret“ geplant, aufgrund des Widerstands arabischer Bischöfe auf die Nr. 4 geschrumpft, ist die Erklärung nun fast 60 Jahre alt. Ressentiments gibt es immer noch. Und Vorbehalte. Aber wer das Judentum nicht kennt (und schätzt), ist nur ein halber Christ.

Dass seit dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 antisemitische Ausschreitungen in Deutschland massiv zugenommen haben, dass Juden vermehrt öffentlich beschimpft werden, Männer ihre Kippa unter einem Basecap verstecken, Kinder unter Bewachung in die Schule gehen müssen, ist beschämend. Christen haben, als ihre jüngeren Geschwister, gegenüber Juden eine besondere Verantwortung. Deutsche und österreichische Christinnen und Christen erst recht. Was wäre die Münchener Stadtgesellschaft ohne Charlotte Knobloch? Dass sie seit Jahren unter Personenschutz steht, ist kaum zu glauben.

P. Andreas R. Batlogg SJ