News - Bleiben Sie zuversichtlich!

Ein Antitoxin wider die permanente Schlechtmacherei

Beide gehen mir auf die Nerven: die notorischen Schwarzseher, aber auch die Schönschreiber und Schönredner. Die einen nörgeln und kritisieren ständig auf destruktive Art und Weise. Die anderen sehen alles durch eine rosarote Brille, gießen manchmal noch ihren „frommen Zuckerguss“ darüber, Schlimmes und Schlimmstes wird kleingeredet und damit bagatellisiert.

Zu den medialen Gesetzmäßigkeiten gehört die Parole: „Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“. Dahinter steckt die Erfahrung, dass Skandal- oder Katastrophenberichterstattung „Quote bringt“: mehr Leser oder mehr Zuschauerinnen. Es hat manchmal mit purer Schadenfreude zu tun – andere bloßgestellt und erwischt zu sehen, vorgeführt zu bekommen, besonders wenn es sich dabei um Prominente handelt. Oder aber echte Betroffenheit ist zu spüren:Naturkatastrophen, Unfälle, lebensgefährliche Erkrankungen, Kriege und Bürgerkriege berühren. Schließlich könnte es auch mir passiert sein! Fast täglich werden wir überflutet mit schlechten Nachrichten.

Wir werden so zu Voyeuren des Untergangs. Unfreiwillig oder freiwillig. Denn manche entwickeln durchaus eine Lust am Untergang – und an schlechten Nachrichten. Leider betrifft das auch die Kirche: Schlechte Nachrichten ziehen oft mehr an als gute: Berichte über Missbrauch, über einen Priester, der sein Amt aufgibt, über einen Bischof, dessen Lebensstil aneckt. Vieles, was gelingt, was positiv ist, was funktioniert, worauf wir stolz sein können, gerät aus dem Blick: Kirche als Heimat, Liturgie als Ort der Gotteserfahrung, exzellente Pädagogik in Kindergärten und Schulen, das Zeugnis der Ordensfrauen und Ordensmänner. „Selbstlosigkeit“ gibt es. Durch „Jammern auf hohem Niveau“ wird dieses Lebenszeugnis vieler konterkariert. Gegensteuern ist das Gebot der Stunde! Wenn „die ganze Welt“ alles mies- und schlechtmacht: Warum spielen wir mit? Warum spiele ich mit?

„Evangelium“ heißt wörtlich übersetzt: Gute Nachricht. Was Jesus verkündigt hat, sind Botschaften vom Heil: Gott ist da, Gott hilft, Gott rettet, Gott steht an der Seite der Menschen, besonders der Benachteiligten, der Kranken, der vom Leben Gezeichneten. Die Armen und Ausgegrenzten sind seine besonderen Lieblinge. Das Leben Jesu, seine Zuwendung, sein Umgang mit Menschen zeigt es – und beweist es. Und daran muss sich auch kirchliches Handeln messen lassen!

Christlicher Glaube als Mutmacher

Berühmt geworden und viel zitiert sind die Bemerkungen von Papst Johannes XXIII. in seiner Konzilseröffnungsansprache vom 11. Oktober 1962, der den „Unglückspropheten“ widersprach, „die immer das Unheil voraussagen, als ob die Welt vor dem Untergang stünde.“ Natürlich hatte er damit auch die Schwarz-Weiß-Seher in der Kirche im Visier, die es heute noch gibt. Um nicht der Schwarzmalerei zu verfallen, in oft kraftraubendem Weltschmerz zu versinken, hilft nur eines: die Besinnung auf das, was christlicher Glaube ist und sein will – ein Mutmacher. Ein Mut und ein Ho!nungsmacher, um mich der Realität des Lebens zu stellen. Vielleicht, weil es leicht evangelikal wirkte, bin ich einmal über die Formulierung eines Berliner Jesuiten gestolpert, Manfred Hösl, der in St. Michael 2022 das Fastentriduum hielt. Es hallte nach: Christen seien „eine GmbH: eine Gesellschaft mit begründeter Ho!nung“. Ihre Botschaft müsse „gut begründet und fröhlich verkündet“ werden.

Glaubensfreude, Glaubensmut und Glaubenszuversicht: Ich halte sie für wichtig. Wir sind nicht mutig, froh oder zuversichtlich, damit wir glauben. Es ist genau umgekehrt: Wir sind es, weil wir glauben. Achtsames Wertschätzen der guten Dinge, die auch passieren, der vielen selbstlosen Menschen, die es auch gibt – in Kirche(n), Politik und Gesellschaft: Wer das praktiziert, wer das einübt, wem das bewusst ist, widersteht der Versuchung, einer „Insolvenzrhetorik“ (©: Annette Schavan) zu verfallen und in den Chor der Schwarzseher einzustimmen.

„Habt Vertrauen! Fürchtet euch nicht!“.

P. Andreas Batlogg SJ
Seelsorger, geistlicher Mitarbeiter der Glaubensorientierung
andreas.batlogg(at)jesuiten.org
https://andreas-batlogg.de

Foto: Christian Ender

Die alles schlecht machen, auch in der Kirche, die die Vergangenheit verklären und sich in „heile Welten“ flüchten – und sei’s eine „wohlige“ Liturgie, die mehr nostalgische Gefühle bedient als an die Gegenwart Gottes und sein Wirken im Hier und Heute glaubt.

Wie ein Gegengift, ein Antitoxin, wirkt auf mich das Jesuswort: „Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht!“ (Mt 14,28) Das ist keine Autosuggestion. Es ist nicht unsere Erfindung, mit der wir uns mit der Verzweiflung von Ertrinkenden Mut zu sprächen, wie die Musikkapelle auf der Titanic munter weitermusizierte, obwohl klar war: Das Schiff wird sinken. Christlicher Glaube, sagt der Gründer von Sant’Egidio, Andrea Riccardi, ist „eine Perspektive, keine Retrospektive“. Aber diese Perspektive müssen wir benennen, davon reden, Zeugnis geben: Dass am Ende alles gut wird, nicht schlecht! Gut voneinander denken, wohlwollend voneinander sprechen – und aufbauend handeln: Das ist Tag für Tag einen neuen Versuch wert! Eine Kultur der Achtsamkeit überwindet den Terror der Miesmacherei. Für viele ist das ein Abendritual oder sogar ein Abendsegen geworden, wenn sich Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni (erstmals im März 2020) mit dem Wunsch verabschiedet: „Bleiben Sie zuversichtlich!“

Andreas R. Batlogg SJ

Artikel mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Münchner Kirchenzeitung vom 10. September 2023 / Nr. 37.

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