News - Gedanken zu den Schrifttexten des Sonntags

Das Himmelreich hat begonnen



Eine afrikanische Geschichte erzählt von einem Beduinen. Der legt sich auf den Wüstenboden und drückt sein Ohr an den Wüstensand. Gefragt, was er da tue, sagt er: „Ich höre, wie die Wüste weint. Sie möchte so gern ein Garten sein."

Die Wüste weint. Wüst und verödet kann etwas in der eigenen seelischen Landschaft, in der Kirche, in der Schöpfung selbst sein. Die Steppe aber wird blühen, lautet die Verheißung. Das „Freuet Euch!" (lateinisch: Gaudete) des heutigen Sonntages gründet sich auf den, der kommen wird. Johannes, nun im Gefängnis, hatte wohl mit einer rauschenderen Ankunft des Messias gerechnet. Es geht um eine schwierige Freude, gewissermaßen gegen den Augenschein. Sie kann noch nicht helle Freude sein. Der evangelische Theologe Helmut Gollwitzer hat es so gesagt: „Die Nacht wird nicht ewig dauern. Es wird nicht finster bleiben. Die Tage, von denen wir sagen, sie gefallen uns nicht, werden nicht die letzten Tage sein. Wir schauen durch sie hindurch vorwärts auf ein Licht, zu dem wir jetzt schon gehören und das uns nicht loslassen wird." Johannes soll sehen, dass auch in den leisen Wundern Jesu anbricht, was nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, die Gültigkeit der neuen Welt, die alles einmal endgültig in sich aufnimmt.

Den nächsten Schritt tun

In diesem Licht schauen wir auf das Dasein. Nichts ist verloren, was im Sinne dieser neuen Welt getan wird. So kommt es nicht darauf an, ob wir alle Blinden sehend machen, sondern dass wir damit anfangen. Diese Art von Geduld ist verlangt. Es kommt nicht darauf an, das s alle Lähmung in Bewegung übergeht, sondern dass wir den nächsten Schritt tun. Es kommt nicht darauf an, ob wir Tote erwecken, sondern dass wir staunen, dass er es kann und einmal tun wird. Wenn aus dem Staunen Glauben wird, werden wir nicht zögern, den Tod in seinen vielen Formen da zu besiegen, wo es in unserer Macht liegt. Gott ist nah. In dieser Hinsicht sind wir längst im Himmelreich. Es hat begonnen!

In den Cevennen, berichtet der Autor Jean Giono, gab es vor 100 Jahren den Bauern Elezard Bouffier. Ihm waren die Frau und der einzige Sohn gestorben. Er zog sich mit 50 Jahren als Hirte zurück auf die wasserlosen und darum auch baumlosen Höhen der Cevennen. Eines Tages beginnt er Eichen zu sammeln, zu sortieren und für die Pflanzung vorzubereiten. Über 40 Jahre bis zu seinem Tod pflanzt er Eichen, später Buchen, Ahorne, Birken und Erlen. So schafft er einen der schönsten Wälder Frankreichs, der heute unter Naturschutz steht. Die Bäche führen wieder Wasser, Blumen und Insekten kehren zurück, auch die vorher abgewanderten Menschen siedeln wieder in dieser blühenden Landschaft.

Er hatte verstanden: Die Steppe wird blühen!

Von Thomas Hürten, Pastoralreferent und Fachreferent in der Glaubensorientierung in St. Michael


11.12.2022 - 3. Adventssonntag (A)

1. Lesung: Jes 35, 1–6b.10 ("Gott selbst kommt und wird euch retten.")
Antwortpsalm Ps 146 (145), 6–7.8–9a.9b–10 ("Komm, o Herr, und erlöse uns!")
2. Lesung: Jak 5, 7–10 ("Macht eure Herzen stark, denn die Ankunft des Herrn steht nahe bevor.")
Evangelium: Mt 11, 2–11 ("Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?")


Thomas Hürten
Pastoralreferent, Fachreferent
Fon +49 / 89 / 21 37 - 2402
THuerten(at)eomuc.de

Foto: MKZ


Artikel mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Münchner Kirchenzeitung vom 11. Dezember 2022 / Nr. 50.