News - Gedanken zu den Schrifttexten des Sonntags - Gottesdienst statt Selbstinszenierung

Gottesdienst statt Selbstinszenierung


Von Thomas Hürten, Pastoralreferent und Fachreferent in der Glaubensorientierung in St. Michael


Wie würden sich unsere Orte verändern, wenn wir die Kirchen aus ihnen entfernen würden? Sichtbar: Turmlosigkeit! Dann fehlte die steinerne Vertikale, der stumme Verweis auf Gott. Hörbar: Es fehlte auch das Glockengeläut, das dem Stundenschlag das Festliche gibt oder das Mahnende. Zeit ist nicht nur Zeit zum Arbeiten. Dasein ist nicht nur Beschäftigtsein. Und etwas verborgener: Es fehlte auch jener Raum, an dem die Tränen laufen dürfen oder das Nachdenken Platz hat, weil mal Stille ist und die Sorgen an einen Größeren abgetreten werden dürfen. Die Feste des Lebens: Taufe und Ehe, die Kommunion und Firmung, brauchen wir sie nicht mehr? Und unsere Toten. Kein Zusammenkommen mehr in der Kirche, bevor wir sie der Erde übergeben. In Dänemark sah ich anderes: die Dorfkirche und vor ihr einen Mast, an dem das weiße Kreuz auf rotem Grund auf Halbmast geflaggt war. Dann trug man ihn oder sie zum Grab.

Wir brauchen Kirchen. Sie erinnern uns daran, dass wir eingeladen sind ins Leben von ihm, mit ihm, und durch ihn in ein Fest ohne Ende. Die Gottvergessenheit irritiert mich. Sie ist mir zu gedankenlos. Ja, im Grunde finde ich diese Sonntage im Schlaf-, Sport- und Freizeitdress kulturlos. Als wenn es darauf ankäme, wieder nur uns zu inszenieren. Ist das das ganze Leben? Ich weiß, dass ein lieblos vorbereiteter Gottesdienst und eine schlechte Predigt wenig alternativ dazu wirken. Und wo es geschieht, gehe ich oft verdrossen nach Hause.

Es geht um Gegenliebe

Es gibt auch eine Liturgieverdrossenheit. Habt ihr Liturgen und Predigenden eigentlich euer Hochzeitsgewand angelegt oder meint auch ihr, das könnte für uns schon reichen? Worum geht es denn eigentlich? Um nicht weniger als Gott selbst und sein Interesse an uns und ein wenig Gegenliebe (= Hochzeitsgewand) auf allen Seiten. Dass sich Menschen an einem Sonntag zu einem Mahl einfinden, bei dem es einmal nicht um Unterhaltung geht, sondern um die Frage, wie wir es halten wollen mit dem, der uns ins Dasein rief, und mit all dem, was uns verlockt, aber doch nicht hilft, wie wir es mit dem Nächsten meinen und was uns das kosten darf, das halte ich geradezu für notwendig, aber auch für schön. Man kann das sogar durch die Kleidung zeigen, auch wenn es darauf nicht in einem wörtlichen Sinn ankommt. Das Hochzeitsgewand meint den Ausdruck von Gegenliebe. Dass ich leben darf, dass ich mich geliebt weiß, dass ich den achte und ehre, der größer ist als alles und der von all den Stunden der Woche eine ausdrücklich bekommen soll. Niemandem steht es so zu wie Ihm, dass wir Danke sagen, aber dass wir auch auf Ihn hören. Niemand ist so entschlossen, aus dieser Stunde etwas für mich selbst werden zu lassen wie Er.


Artikel mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Münchner Kirchenzeitung vom 15. Oktober 2023 / Nr. 42.

15. Oktober 2023 - Kirchweihfest

1. Lesung: 1 Kön 8,22-23.27-30 („Halte deine Augen offen über diesem Haus bei Nacht und bei Tag.“)

Antwortpsalm: (Ps 84 (83),3.4.5 u. 10.11 (Kv: vgl. 5) („Selig, die wohnen in deinem Haus, die dich allezeit loben.“)

2. Lesung: 1 Kor 3,9c-11.16-17 („Ihr seid Gottes Bau. Der Geist Gottes wohnt in euch.“)

Evangelium: Lk 19,1-10 („Heute ist diesem Haus Heil geschenkt worden.“)

Thomas Hürten
Pastoralreferent, Fachreferent
Fon +49 / 89 / 21 37 - 2402
THuerten(at)eomuc.de

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