Auf Gott ist Verlass
Von Thomas Hürten, Pastoralreferent und Fachreferent in der Glaubensorientierung in St. Michael
Zu früh gefreut! Der da kommt muss leiden. Der da kommt wird sterben! Die große Enttäuschung bahnt sich an. Auch der Liturgie bleibt der Jubel im Halse stecken. Was mit dem Hosianna der Palmprozession beginnt, wird über zwei Lesungen, den Psalm und die lange Passionsgeschichte (heuer nach Matthäus) in tiefes Leiden getaucht. Sie werden ihn fast alle verlassen und die anderen ihn nach allen Regeln der Kunst fertigmachen. Am Horizont des Glaubens bleibt in den heiligen Texten nur eine Hoffnung stehen: Darum wird ihn Gott doch erhöhen, seine Stärke wird ihm doch zu Hilfe eilen.
Was diese Schwankungen angeht: Unser Leben kennt sie selbst. Wir sind so froh, so stabil, so siegesgewiss, da passiert etwas und reißt einen Abgrund auf. So schnell kann es gehen. Auf Gott ist wenig Verlass, denkt man, und meint doch zunächst, dass auf Gesundheit, Friede, Glück, sogar auf die Liebe, das menschliche Gutsein und diese Dinge nicht so viel Verlass ist, wie man glaubte. Wir sagen aber, auf Gott ist wenig Verlass, wohl weil wir tief drinnen immer schon wussten, wie brüchig und flüchtig diese Dinge sind, und dass sie noch eine ganz andere Verankerung brauchen - eine in Gott selbst.
Nur Gott kann helfen
Ist wirklich auf ihn kein Verlass? Tatsächlich ist in der Geschichte Jesu, in der ihn so viele und vieles verlassen, überhaupt nur auf Gott selbst Verlass. Er weiß zu retten, wo Sünde (Hass, Neid und Gewalt), Irrtum und Tod ihm alles genommen haben. Wie oft klagen wir Gott an und wissen doch zugleich, dass nur er helfen kann.
Im Sterben ist nur auf ihn Verlass. Wenn noch einer etwas weiß, dann er. Und im Leben? Wer geht mit ins Leid, wenn viele sich zurückziehen? Wer gibt uns nicht auf, wenn wir in einem schockierenden Sinn schuldig geworden sind und wir uns selbst verlassen wollen? Welcher Meister wäscht den Schülern die Füße? Wer stellt sich der Verhaftung und bittet um freies Geleit für die, die zu ihm gehören? Auf ihn ist Verlass.
Man muss das mit aller Nachdenklichkeit sich selbst sagen: Den wir Menschen verließen, auf den können wir uns im Leben und im Sterben verlassen. In ihm ist eine unbeirrbare Liebe zum unzuverlässigen Dasein. Sein Ja bezwingt das bittere Nein, das aus Angst, Sünde und Tod stammt und sich wie ein Gift in unser Dasein gemischt hat.
An Palmsonntag feiern wir sein Ja zu uns, seinen Einzug in unser Dasein. Er taucht seine Liebe auch in unser Leiden und Sterben ein. Sein Ja geht so weit. So sehr ist auf ihn Verlass. Er mag uns leiden.
2. April 2023 - Palmsonntag - Feier des Einzugs Christi in Jerusalem (A)
Evangelium zur Palmweihe Mt 21, 1–11
1. Lesung: Jes 50, 4–7 - Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähungen, doch ich weiß, dass ich nicht in Schande gerate (Drittes Lied vom Gottesknecht)
Antwortpsalm: Ps 22 - Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
2. Lesung: Phil 2, 6–11 - Christus Jesus erniedrigte sich; darum hat ihn Gott über alle erhöht
Passion: Mt 26, 14 – 27, 66 - Das Leiden unseres Herrn Jesus Christus nach Matthäus
Artikel mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Münchner Kirchenzeitung vom 02. April 2023 / Nr. 14.
Thomas Hürten
Pastoralreferent, Fachreferent
Fon +49 / 89 / 21 37 - 2402
THuerten(at)eomuc.de
Foto: MKZ