News - Gedanken zum Evangelium des Sonntags - Verstörende Freiheit

Verstörende Freiheit

Von Thomas Hürten, Pastoralreferent und Fachreferent in der Glaubensorientierung in St. Michael

Jesus tritt mit verstörender Freiheit im Tempel auf. Das ist ja überhaupt ein Merkmal Jesu: seine Freiheit – gegenüber der religiösen Obrigkeit nach außen, gegenüber seinen Ängsten vor den Folgen solcher Auseinandersetzung nach innen. Von seinem Wesen ist hier noch mehr zu erkennen: der Durchbruch zum Wesentlichen und die Ansage dessen, worum es Gott eigentlich geht. Neben dem freien nun der eifernde, der zürnende Jesus. Opfer müssen weg, wo Hingabe wichtig ist. Seine Religiosität will nicht etwas Geschäft zwischen Mensch und Gott regeln, sondern meint tiefe Beziehung. Und dann ist da der nachdenkliche Jesus. Das Evangelium endet mit einem Vorbehalt Jesu: „Er vertraute sich ihnen nicht an.“

Seine Zeichen gefallen den Menschen, und er gefällt ihnen aufgrund der Zeichen, die er tut. Aber er ahnt wohl, wie dünn das ist. Das macht mich nachdenklich. Wie belastbar ist mein Glaube an ihn? Vertraute er sich mir an? Ist für mich, den Hauptamtlichen, meine Religiosität am Ende nur ein Geschäft, das meinen Lebensunterhalt gewährt? Jesus spricht von der Hingabe eines Lebens, jedenfalls seines Lebens. Es klingt so, als bliebe er darin im Grunde allein und unverstanden. Der einsame Jesus. Frei, wesentlich, zornig, nachdenklich – und einsam.

Alles wird vergehen

Hingebungsvoller Glaube ist nicht etwas an Jesus. Es ist sein Leben, es wird sein Tod. Den Tod aber spricht er von der Auferweckung her an. Von Gott kommt viel mehr Leben, als wir denken. Wir sind viel mehr geliebt, als wir glauben. Wir sind viel mehr gehalten, als wir dafürhalten. Warum haften wir aber so an Dingen, die doch nicht nähren und den Durst nach Leben stillen? Alles hier wird vergehen. Alles hier ist angezählt.

Mit 60 Jahren ist das für mich kein ferner Gedanke mehr. Der Tod fordert ein Loslassen hin auf das, was dann noch kommt. Und das liegt in Gottes Hand, das ist von Gottes Art oder es ist gar nicht. Alles ist auf ihn bezogen, alles wird, weil er es noch will. Was zählt also? Es geht nicht um einen Tausch von Währungen für begrenzte Opfer wie im Tempel, es geht um die Währung des ewigen Lebens und den Gottesdienst, der dort gefeiert wird, wo Gott ist. Wir haben keine bessere Währung als die Liebe selbst, die Gerechtigkeit untereinander, die gebotene Güte bis zuletzt. Die zählt. Wir sollen das Wir erlernen, solange wir leben, die freie Gabe dessen, was auch uns umsonst gegeben wurde. Ich kann mir den aktuellen Verweis nicht verkneifen: Darum sind Kategorien wie mein Land, mein Volk und meine Heimat so kurzsichtig. Feld und Flur der Heimat zeigenden Gekreuzigten und seine geöffneten Arme. Seine Hingabe bis in den Tod erntet Leben. Ein anderer Weg ist nicht bekannt.

3. März 2024

3. Fastensonntag B

1. Lesung: Ex 20, 1–17 („Das Gesetz wurde durch Mose gegeben.“)

Antwortpsalm: Ps 19 (18), 8.9.10.11–12 (Kv: „Herr, du hast Worte ewigen Lebens.“)

2. Lesung: 1 Kor 1, 22–25 („Wir verkünden Christus als den Gekreuzigten“)

Evangelium: Joh 2, 13–25 („Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten.“)


Thomas Hürten
Pastoralreferent, Fachreferent
Fon +49 / 89 / 21 37 - 2402
THuerten(at)eomuc.de

Foto: MKZ


Artikel mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Münchner Kirchenzeitung vom 3. März 2024 / Nr. 9.