News - Glaube im Alltag: Fronleichnam

Glaube im Alltag

Fronleichnam

Ein Beitrag von Pater Andreas Batlogg SJ, Seelsorger an der Jesuitenkirche St. Michael in München, bis 2017 Chefredakteur der „Stimmen der Zeit“, in der Münchner Kirchenzeitung.

Fronleichnam als „katholische Heerschau“ oder „barocke Machtdemonstration“ – das ist vorbei. Ganz abgesehen davon, dass man beim Zug durch die Straßen – Prozession genannt – heute nicht mehr davon ausgehen kann, dabei nicht belächelt oder sogar beschimpft zu werden. (Außer die Prozession wird als folkloristische Touristenattraktion willkommen geheißen.)

Fronleichnam als antiprotestantische Veranstaltung („Wir haben den Herrn immer bei uns!“) – auch das ist passé. Die Botschaft gilt jedoch: Jesus in einem Stück Brot, in der Hostie. Jesus als Brotgenosse! Als mein Kumpan: einer, der Brot mit mir teilt. Ganz wörtlich übrigens, auf Latein. Denn das Wort „Kumpan“ ist zusammengesetzt aus „cum“ (mit) und „panis“ (Brot): der Kumpan – ein Brotgenosse.

Das Stück Brot, das wir in der Eucharistie angeboten bekommen, macht nicht satt. Aber es hält einen anderen Hunger offen: den Hunger nach Sinn, nach Glück, nach einem erfüllten Leben. Dazu gehört für uns Christen Gott. Dazu gehört Jesus. Genau das zeigen wir, wenn wir mit der Monstranz durch die Straßen einer Stadt, durchs Dorf oder über Felder auf dem Land ziehen. Wir erinnern damit – einander und andere – an eine Einsicht, welche Dorothee Sölle († 2003) mit einem Buch so ins Wort gebracht hat: „Es muss doch mehr als alles geben.“

Ihr Mann, der Theologe Fulbert Steffensky, hat 2005 das Buch „Schwarzbrot-Spiritualität“ veröffentlicht. Den ungewöhnlichen Titel erklärte er mit „einem gewissen Unwillen gegen die neue Magie des Wortes Spiritualität und gegen die Aufblähung des Spiritualitätsmarktes“. Der Titel fiel mir auf. Steffensky: „Mir kommt es gelegentlich vor, als ersetzte das Wort selber schon die Inhalte, die damit gemeint sein können. Worte können Irrlichter sein, und ich habe den Eindruck, Spiritualität ist ein solches geworden.“

Brot – ist weder Irrlicht noch Wort. Brot essen, Brot kauen, mir Brot auf der Zunge zergehen lassen, frisches Brot riechen: Das kennen wir alle. Wer in ein Stück Schwarzbrot beißen kann, weiß das. Ganz abgesehen vom Nährwert des Schwarzbrots.

Wenn wir eine Hostie empfangen, werden wir davon nicht satt. Aber dieses Stückchen Brot erinnert genau an diesen anderen Hunger – den nur Gott stillen kann. Womit auch immer wir uns in diesem Leben ernähren (oder betäuben) wollen: Es wird nie reichen.

In einer Hostie Jesus empfangen, den lebendigen Gott – das führt auf eine ganz andere Ebene: Erinnerung an den Brotgenossen Jesus, der uns wieder und wieder zum Mahlhalten einlädt. Erinnerung daran, dass es „mehr als alles“ geben muss. Und geben kann! Weißbrot des Glaubens: Das sind die hohen Feste. Das Schwarzbrot des Glaubens ist unser Alltag: Auch dort ist Gott zu finden.


P. Andreas Batlogg SJ
Seelsorger
andreas.batlogg(at)jesuiten.org


Der Text ist freundlicherweise übernommen aus der Münchner Kirchenzeitung vom 19. Juni 2022 / Nr. 25