News - Glaube im Alltag: Lebendige Hoffnung

Lebendige Hoffnung


Glaube im Alltag erlebt von Pater Martin Stark SJ,
Kirchenrektor von St. Michael, München


Hoffnung (verzweifelt) gesucht! Ich habe manchmal den Eindruck, als befänden wir uns wie beim drohenden Bundesliga-Abstieg mit aussichtslosen Abstiegskämpfen konfrontiert. Wir haben Angst vor dem, was der Ukraine-Krieg alles auslöst und Wut gegen die „Klimakleber“. Wir fürchten die zunehmenden Polarisierungen in der Politik und die Skepsis, mit der die Demokratie betrachtet wird. Und was die Kirche angeht – sie verliert nicht nur und nicht erst seit Corona rasant an Relevanz, sondern niemand bestreitet mehr, dass ihre jetzige Form unwiderruflich zu Ende ist. Ein einziger großer Abstiegskampf!

Bleibt da noch Hoffnung? Und wo finde ich sie, wenn sie mir abhandengekommen ist? Für mich ist das gerade die drängendste Frage. Hoffnung ist ja schließlich kein Mantra, dass mein Bewusstsein erweitert und mich wie ein Glücksmagnet von negativen Gedanken befreit. Und auch kein Zweckoptimismus, dass von irgendwo ein Lichtlein herkommt und es irgendwann und irgendwie schon weiter geht. Hoffnung, die aus dem Glauben kommt, ist viel mehr als nur der Mut der Verzweiflung und nicht bloß Resilienz oder Selbstoptimierung frei nach dem Motto: Je schwerer die Herausforderung, desto härter müssen wir an uns arbeiten!

Hoffnung ist überhaupt nichts, was ich von mir aus erreichen könnte. Hoffnung, das meint so etwas wie ein Licht am Ende des Tunnels, die Aussicht, wieder normal laufen zu können, die mich eine langwierige Therapie ertragen lässt; die berufliche Perspektive, für die ich eine zermürbende Ausbildung in Kauf nehme. Hoffnung ist das Ziel, das über die gegenwärtige Herausforderung hinausweist, die Vision, die mir jetzt neue Energie schenkt.

Wenn wir Christen über Hoffnung sprechen, meinen wir damit unsere Beziehung zu einer Person: Jesus Christus, der uns in seinem großen Erbarmen durch seine Auferstehung neu gezeugt hat zu einer „lebendigen Hoffnung“ (1 Petr. 1, 3). Wenn wir auf ihn und das, was er für uns getan hat, schauen, zielt diese Aussicht auf etwas so Unzerstörbares, Unverfälschtes und Unvergängliches, was alles überlebt und mit dem wir alles überleben können. Was er – auch und gerade heute! – in unsere Welt und in mein eigenes Leben bringt, ist die Perspektive, die über das hinausgeht, was meinen Blick jetzt verstellt und eingrenzt. Die Dimension des Lebens, die er eröffnet, sie leuchtet so hell, dass sie jede dunkle Wolkenwand aufbricht, die sich vor mir auftürmt.

Inmitten allen Ab- und Umbruchs, den wir momentan erleben, inmitten aller schmerzhaften Abschiede schenkt mir diese Zukunftsperspektive die Kraft, trotzdem gelassen und fröhlich zu sein. Diese Hoffnung ist kein Spiel auf Zeit, um den Abstieg in allerletzter Minute zu verhindern. Denn diese Hoffnung stirbt auch ganz zuletzt nicht. Die Hoffnung besteht in der Freiheit und Zukunft, die mir nur Jesus schenken kann.

P. Martin Stark SJ
Kirchenrektor


Der Text ist freundlicherweise übernommen aus der Münchner Kirchenzeitung vom 1. Oktober 2023 / Nr. 40.


P. Martin Stark SJ
Kirchenrektor von St. Michael
Superior der Jesuitenkommunität
martin.stark(at)jesuiten.org

Foto: Robert Kiderle