News - Impuls Mai 2022

Österliche Menschen (werden)

Meine Mutter war sieben, als der Zweite Weltkrieg endete. Sie hat Bombenangriffe in Hanau miterlebt, wo sie geboren wurde. Luftschutzbunker gehörten zu ihrer Kindheit. Im Mai 1945 floh sie mit meiner Oma und zwei jüngeren Schwestern (mein Opa war ein Jahr lang verschollen) nach Süden: So kamen sie nach Vorarlberg.

Unter dem Eindruck der Isolation während der Corona- Pandemie hat Mama in den letzten zwei Jahren oft davon erzählt. Kriegserinnerungen sind für ältere Menschen wieder sehr lebendig geworden. Und „Krieg“ heißt jetzt nicht: Afghanistan oder Irak oder Jemen, sondern: Ukraine, keine zwei Flugstunden von München entfernt. Ukraine: Das ist auch Lwiw (Lemberg), Czernowitz, die Bukowina – Namen wie Rose Ausländer, Paul Celan oder Manès Sperber verbinden sich damit.

Heribert Prantl hat in einem SZ-Kommentar gemeint, sexueller Missbrauch in der Kirche und seine katastrophale Aufarbeitung ließen sich nicht „wegostern“. Über dieses Verb bin ich gestolpert. Krieg, Kriegsverbrechen, Vertreibung lassen sich auch nicht „wegostern“. Seit Ende Februar leben wir in einer anderen Welt.

In seiner vielbeachteten Fastenpredigt am 27. März fiel ein Satz, der nicht im Manuskript stand. Von der „Auferstehung des Vertrauens“ und vom „Glauben an den Ostersonntag“ war die Rede, und dann ergänzte Prantl: „Und ich lasse mir den Glauben daran nicht nehmen.“ Trotz allem nicht! Auferstehung heißt nicht: Alles vergessen, so als sei nichts geschehen. Der Auferstandene trägt Wundmale. Die Narben erinnern an das, was war!

Ostern ist nicht Vertröstung. Es ist Hoffnung, Zuversicht, Perspektive. Daran glauben zu können ist nicht leicht. Österliche Menschen sollen wir sein: ein Jahres-, ja ein Lebensprogramm! Beten wir darum, dass wir es werden (wollen).

Andreas R. Batlogg SJ

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P. Andreas Batlogg SJ
Seelsorger
andreas.batlogg(at)jesuiten.org