News - Gottes Intimität - Einblicke in das Johannesevangelium

P. Kern SJ gibt "Einblicke in das Johannesevangelium"

Lebenshilfe und Lebensdeutung


Rätselhaft und fremd“, ja „abschreckend und ermüdend“ komme manchen das Johannesevangelium vor, meint Pater Karl Kern. Auf andere übe es eine „ganz eigene Faszination aus“. Dieser faszinierenden Wirkung geht der Rektor der Münchner Jesuitenkirche St. Michael nach. Er erschließt einen Text, der viele ratlos macht. Für den Autor jedoch spricht das vierte Evangelium zu Menschen, die heute nach einem guten, erfüllten Leben suchen.

Dieses Evangelium ist ein Impuls zur „universalen Freundschaft“, wie sie Papst Franziskus am Herzen liegt. Es ist ferner ein aktueller Beitrag zum christlich-jüdischen und zum interreligiösen Dialog in einer globalisierten Welt. Und es redet von der alltagstauglichen Mystik der Liebe, die das „innerste Wesen Gottes“ und das „einzige Ethos der Christen“ ist, wie Pater Kern schreibt. Damit entwirft das Johannesvangelium auch eine Vision von Kirche, die von lebendiger Gemeinschaft und von universaler Ausrichtung lebt.

Die „Einblicke“ dieses Buches handeln jedoch nicht nur von der Aktualität und Zukunftsfähigkeit des Johannesevangeliums. Pater Kern entwickelt seine „Ermutigung zum Glauben heute“ aus der Rückblende in die Ursprungssituation, aus der diese Schrift erwachsen ist: „Das vierte Evangelium ist aus einer scharfen innerjüdischen Kontroverse in den Jahrzehnten nach der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 nach Christus entstanden (…). Das traditionelle Judentum befand sich im Jahre 70 (nach dem Jüdischen Krieg) am Nullpunktund musste sich ohne das zentrale Heiligtum neu (er-)finden (…). Aus dem traditionellen Judentum erwuchsen (…) das rabbinische Judentum mit der Tora und die spätere Kirche mit ihrem Glauben an Jesus als dem Messias im Mittelpunkt.“

Jesus wird „als gläubiger Jude geschildert (…) und tritt dabei mit provokativem Selbstverständnis als Sprachrohr des Gottes Israels auf. (…) Im Johannesevangelium spiegelt sich die bedrängte Lage einer jüdischen Minderheit gegenüber einem erdrückenden Mehrheitsjudentum wider. Gleichzeitig zeigt diese Schrift, dass sich ein neues religiöses Zeichensystem entwickelte, das dann zur Trennung von der Ursprungsreligion führte.“

Aus dieser Ursprungssituation ist „die scharfe Abgrenzung und Abwertung der ‚Juden‘“ zu verstehen: Das Evangelium ist Zeugnis einer bedrängten jüdischen Minderheit. Von Christentum könne man jedoch im ersten Jahrhundert noch nicht sprechen. Der oder die Autoren hinter dem vierten Evangelium verstanden sich als gläubige Juden. Für sie wurden die Verheißungen an Israel in Jesus erfüllt. In diesem Sinne propagierte die johanneische Gemeinde ein „universalisiertes Judentum“.

Deshalb ist dieses Evangelium ganz und gar von einer „christologischen Konzentration“ geprägt: „Alles christliche Zeugnis zielt dabei auf den einen Punkt: die Person Jesu in ihrer anziehenden Ausstrahlung (vgl. Joh 12,32) den Menschen so nahezubringen, dass er für sie der Weg zum Leben und zur Gotteserkenntnis werden kann.“

Vor diesem Hintergrund legt Pater Kern vor allem die Texte aus, die über drei Lesejahre verteilt in der sonntäglichen Liturgie zu hören sind. Dabei leitet ihn ein Satz aus dem Geistlichen Testament von Papst Johannes XXIII.: „Nicht das Evangelium ist es, das sich verändert; nein, wir sind es, die gerade anfangen, es besser zu verstehen.“

Wer einen Schlüssel zum Johannesevangelium sucht, findet in diesem Buch hilfreiche und überzeugende Zugänge. Es besticht durch seine klare, lesbare Sprache, aus der man den Ton des Predigers heraushört, der Zuhörer fesseln und mitnehmen will: „Es geht um die Vergegenwärtigung des Evangeliums als Lebenshilfe und Lebensdeutung für unsere Zeit. Nach Lukas (Jesus zuhören, 2018), Matthäus (Das Alte neu sagen, 2019) und Markus (Glaube als Zumutung, 2020) – allesamt im Attenkofer-Verlag Straubing erschienen – rundet dieser Band die Reihe über die vier Evangelien ab“, wie Pater Kern erläutert. Der letzte Band ist mit 248 Seiten etwas umfangreicher geworden und führt mit einer längeren Einleitung ins Evangelium ein. Der österreichische Künstler Ernst Arnold Bauer hat wiederum vier Bilder (Öl auf Leinwand) beigesteuert, welche die Botschaft des Johannes in die Bildsprache umsetzen.

Das Titelbild zeigt den Kopf des Gekreuzigten, den der große Künstler der Spätrenaissance, Jean de Boulogne (genannt Giambologna), für die Jesuitenkirche St. Michael in München geschaffen hat. Auf der Rückseite sucht das Gesicht der Maria Magdalena – geschaffen von Giambolognas deutschem Meisterschüler Hans Reichle – das Antlitz Jesu. Das vierte Evangelium sowie dieses Buch sind eine einzige Suche nach dem Geheimnis der Person Jesu, das – wie der letzte Satz des Evangeliums sagt – alle Bücher auf der ganzen Welt nicht fassen können (vgl. Joh 21,25).

Andreas Batlogg SJ
Der Autor ist Seelsorger an der Jesuitenkirche St. Michael in München und war bis 2017 Chefredakteur der Zeitschrift „Stimmen der Zeit“.

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Pater Karl Kerns Buch „Gottesintimität – Einblicke in das Johannesevangelium“ ist im Attenkofer-Verlag erschienen und für 14,80 Euro bestellbar in der Buchhandlung Michaelsbund unter Telefon 089/23225-420 oder unter: www.michaelsbund.de/gottesintimitaet

Der Text ist mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Münchner Kirchenzeitung.