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Erwachsene im Taufkurs


„Zu dir kommen nur die Hundertprozentigen!“, meinen viele. Ich leite nämlich Taufkurse für Erwachsene. Hier in der Glaubensorientierung an St. Michael, gelegen im Herzen Münchens in einer räumlichen und geistlichen Schnittmenge von Ordinariat und Zentrum der Jesuiten, trifft man auf lauter durch und durch Überzeugte? Sehen wir genauer hin: Es geht um Annäherungen, oft bewegend, und um Hindernisse. Es gilt Missverständnisse zu überwinden. Denn die Katechumenen wissen schon etwas über das Christentum, aber nicht immer stimmt das. Einer wollte wissen, ob das Christwerden eine dämpfende Folge haben könnte für seine lebensfrohe, kommunikative und sportbegeisterte Lebensart. Müsste er ernster sein, nachdenklicher, zurückhaltender im Zugriff auf die schönen Dinge des Lebens? In dieser Frage tauchte das schiefe Bild vom freudlosen Christen auf, zugleich aber die Ahnung, dass Konsequenzen groß sein können. Manche lesen schon länger in der Heiligen Schrift, andere kennen sie gar nicht. Der barmherzige Samariter und der verlorene Sohn sind für viele fremde Geschichten.

Aber sie haben eine tiefe Intuition, wer Jesus ist, und spüren, wo er fehlt. Sie kennen seine Anziehung, spüren bei ihm Freiheit und Weite des Herzens, die sie für sich selbst suchen. Dass Religion mit seiner Liebe und Freiheit verbunden sein muss und in sie hineinführt, auch in die Entdeckung der eigenen Würde, ist für manche aus dem Orient kommende Täuflinge das, was sie besonders anzieht.

Aus Tschechien und Ostdeutschland kommen Menschen, deren Großeltern noch getauft waren. Sie finden Zugang zu einer gedanklichen Beheimatung, von der ihnen dort niemand mehr erzählt hat und die sie hier in den alten Ländern noch wahrnehmen. Über das Philosophiestudium kommen auch solche, die agnostisch oder ausdrücklich atheistisch erzogen wurden. Dass das Dasein mehr sein muss als eine absurde Verteilung von Glück und Pech, Wohlfahrt und Leid, ist eine erste Annäherung an das Andere Gottes in der Welt, das in Jesus Christus da ist. Andere suchen Jesu Geborgenheit beim Vater. Es war die Erfahrung der Stille in Kirchen, die ihnen die Möglichkeit dieser anderen Welt gezeigt hat.

Wieder andere haben den Menschen, den sie lieben, in seine religiöse Welt begleitet, zu der der sonntägliche Kirchgang gehörte. Was anfangs sehr fremd war, wurde mit der Zeit zugänglich, klang nicht unvernünftig, wurde zu etwas, was sie gemeinsam anschauten und besprachen. Irgendwann leuchtete es dem Eigenen ein.

Es gibt sehr singuläre Erfahrungen, die in den Taufkurs führen: die Einsamkeit in einer Gefängniszelle; auch die Erfahrung, etwas getan zu haben, worin man sich selbst verloren hat, sodass man in eine Ordnung will, die Halt in Gott hat; den selbstbewussten Austritt aus einer islamischen Familie, deren Glaube wie Unterwerfung wirkte, wobei man selbst Hingabe sucht, aber in Freiheit. Dies alles geht dem Taufkurs, der im Herbst beginnend zum Osterfest führt, voraus. Er sammelt die Einzelwege und führt sie am Kirchenjahr entlang: Tod und Vollendung im November, Hoffnung auf Erlösung im Advent, seine Menschwerdung und Lehre im öffentlichen Wirken, die großen Evangelien der Fastenzeit vom Verhältnis Gottes zum Menschen, zuletzt das Mitgehen in Leben, Sterben und in sein und unser Ostern. Die biblische Orientierung soll den Katechumenen etwas geben, was die Jünger hatten: Zeit, zu entdecken, wer Jesus von Nazareth tatsächlich ist. Dogmatische Fragen spielen auch eine Rolle. Aber es ist gut, wenn diese Fragen von Entdeckungen begleitet sind. Und natürlich spielt die Kirche eine Rolle, ihre Werke, ihre Bedeutung, ihre zentrale Feier, ihr Bild in der Gesellschaft.

Ist sie heilig? Dieses Attribut im Glaubensbekenntnis will nicht einfach über die Lippen kommen. Die Katechumenen gehen nicht unkritisch mit dem um, was zum Glaubensbekenntnis gehört. Aber sie sehen auf das, was stark genug ist und wahr genug, um sie zu überzeugen. Der Dichter Kurt Marti hat einmal gesagt: „Ihm, Christus, glaube ich Gott!“ Auf dieser Linie liegt auch die Möglichkeit, in die Taufe zu gehen: „Ihm, Christus, vertraue ich mich in dieser Kirche an!“ Hundertprozentige Deckung? Nein! Das können, das wollen wir gar nicht erreichen. Aber darin, dass ihre Heiligkeit von Seiner stammt, richtet er die Kirche immer wieder neu.

Die Taufe ist kein Schlusspunkt. Christsein meint Christwerden in einem Volk, das ihn hört. Taufe ist der Anfang eines Bundes, der Geschichte macht. Insofern kommt alles darauf an, was Mensch und Gott dann daraus machen.

Thomas Hürten
Pastoralreferent und Fachreferent in der Glaubensorientierung in St. Michael

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Artikel mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Münchner Kirchenzeitung vom 24. April 2022 / Nr. 17.


Thomas Hürten
Pastoralreferent, Fachreferent
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