News - Gedanken zu den Schirfttexten des Sonntags

Wagnis verdienen


Christliche Religiosität ist nicht „für" 0ma gut, weil sie - von Leid gebeugt - einen psychischen Krückstock bräuchte, um noch durchs Leben zu kommen. Ihre Gründe, zu glauben, könnten weit tiefer liegen. Wenn es Gott gibt, wie Jesus Christus ihn uns gezeigt hat, dann ist das nicht Omas Privatmeinung, sondern eine Wahrheit, die alle angeht, wenn sie auch nicht bewiesen werden kann und in sich also ein Wagnis bleibt. Aber weil es um die Wahrheit Gottes geht, hat die Frage nach ihm weit mehr Gewicht als wir meinen. Und diese Einsicht, wenn sie einen Menschen einholt, der bislang mal besser, mal schlechter ohne Glauben durch das Leben kam, kann vieles durcheinanderbringen. Sie kann wie ein Mantel sein, das Motiv der alttestamentlichen Berufung, der über einen geworfen wird. Was bisher hell und klar schien, ist nicht mehr zu sehen.

Eine neue Geborgenheit kann mit diesem Mantel gemeint sein, auch eine neue Dazugehörigkeit. Ja, das Bild hat auch etwas von Besitzergreifung an sich. Alte, selbst heilige Pflichten und Gewohnheiten zählen nicht mehr, erzählen die Texte der Schrift. ,,Da bricht einer aus, brennt durch!", sagen die Zurückbleibenden. „Da wurde ich frei", sagt der neu Glaubende, ,,von alten Zugehörigkeiten. Es ging zum ersten Mal wirklich um mich!" Elischa kocht mit dem Joch, dem Symbol bisheriger Arbeit, noch ein Mahl aus seinem Zugochsen, dann ist er weg. Arbeitsplatz futsch! Man muss die Frage stellen dürfen, ob so etwas als Empfehlung nicht auch gefährlich ist.

Man kann mit allem Schindluder treiben, auch und gerade mit dem Werben um Berufung. Radikalität kann auch negativ versuchen. Und wer ruft, muss das Vertrauen verdienen. Aber die Vermeidung der Ge-fahr liegt nicht darin, Gott gegenüber nur bis zu einem gewissen Grad offen zu sein. Man kann nicht nur ein Stück weit lieben, sich entscheiden und sich dabei alle Türen offenhalten. Das geht nicht bei einem Menschen, das geht nicht bei Jesus.

,,Ja, aber!" ist ein „Nein". ,,Ja, gleich!" kann auch wie ein „Nein" sein, wenn sofort gehandelt werden muss. Denn manche Chancen lassen sich nicht erneut herbeirufen. So bleibt das Wagnis.

Wer verdient dieses Wagnis? Wer darf so rufen? Nicht alle, die in Jesu Namen rufen, verdienen Vertrauen. Die Bücher von Doris Reisinger helfen genauer zu verstehen. Ja, es gibt Berufungen, die in die Irre führen. Aber sich irren ist dann nicht einfach nur ein persönliches Scheitern oder gar ein Verrat. Es gibt auch das Irren einer Gemeinschaft und ihrer Regeln. Es gibt den Verrat an denen, die guten Willens waren und sich anvertrauten. Ob wir Jesus nachfolgen, ist eine Frage, die sich gleichermaßen an religiöse Institutionen wie den Einzelnen richtet.

Thomas Hürten
Pastoralreferent und Fachreferent in der Glaubensorientierung in St. Michael

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13. Sonntag im Jahreskreis (C)

1. Lesung: 1 Kön 19, 16b.19–21 ("Elischa stand auf und folgte Elija.")
Antwortpsalm Ps 16 (15), 1–2 u. 5.7–8.9 u. 11
2. Lesung:Gal 5, 1.13–18 ("Ihr seid zur Freiheit berufen.")
Evangelium: Lk 9, 51–62 ("Ich will dir folgen, wohin du auch gehst.")


Artikel mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Münchner Kirchenzeitung vom 26. Juni 2022 / Nr. 26.

Thomas Hürten
Pastoralreferent, Fachreferent
Fon +49 / 89 / 21 37 - 2402
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Foto: MKZ