News - Gedanken zu den Schrifttexten des Sonntags - Guter Hirte

Nähe zum Herrn leben


Von Thomas Hürten, Pastoralreferent und Fachreferent in der Glaubensorientierung in St. Michael


Die Sinnspitze dieser Bildrede ist nicht: „Ihr seid nur Schafe“, sondern: „Er ist der gute Hirte.“ Unterscheidet ihn von den schlechten! Das Religiöse ist wie die ganze Welt der Ideen voller Verführung. Politik, Wissenschaft (selbst die!), Wirtschaft, Frieden, die olympische Idee, was unter dem Namen Liebe so alles geschieht und eben auch die Religion, nichts ist davor sicher, missbraucht zu werden. Je höher oder heiliger etwas steht, je wertvoller es ist, desto größer ist der potentielle Schaden. Wie viel Irrtum wird religiös aufgeladen zur Rechtfertigung für Machtmissbrauch oder sexuelle Befriedigung religiös verbrämt zu Verbrechen. Missbrauch allerorten. Das Gegenteil des Guten ist nicht nur das offensichtlich Böse oder Schlechte, sondern mehr noch das Falsche. Irrtum und Unwahrheit, wenn sie sich mit staatlicher oder religiöser Autorität paaren, sind mächtige Verführer. Nichts ist mordlustiger als ein Feindbild. Erst kommt die Propaganda, dann der Tod. Wie viele Menschenopfer verlangen die „Ismen“ jedweder Herkunft, gerade auch jetzt im Krieg Russlands gegen die Ukraine! Und falsche Ideen sind zäh. Darum prüft die, die eure Hirten sind, ob sie nun gewählt sind oder nicht. Sie tragen Verantwortung für mächtige Ideen. Womöglich sind sie Diebe. Sie kommen nur, um zu  tehlen, zu schlachten und zu vernichten (vgl. Joh 10,10a).

Christen sollen Christus ähnlich sein

An Jesus fällt auf, dass er, der Hirte, selbst Opfer wurde. Er hat in der Nacht seiner Verhaftung nicht seine Jünger in die Verwundung und den Opfergang geschickt, sondern sich selbst. So war er Hirte und Hüter ihrer Seelen in einer Stunde, die sie alle den Kopf hätte kosten können. Sie sollten später ihre Hirtenrolle an seiner finden. Immer wieder hat die Kirchengeschichte solche Hirten hervorgebracht – und die andern auch. Wie unsäglich! Von uns Christen wird erwartet, dass wir Christus ähnlich sind. Ist das zu viel verlangt?

Es ist viel verlangt. Ja! „Wenn ihr recht handelt und trotzdem Leiden erduldet, ist das eine Gnade in den Augen Gottes. Dazu seid ihr berufen worden; denn auch Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgt.“ Leidensbereitschaft! Nicht everybody’s Darling sein wollen. Ja, wenn die Angst nicht wäre!

Aber da ist auch Verheißung: Leben in Fülle! Wer leiten will, wer führen will, wer sorgen will, wird Wunden ernten – aber er wird Weide und Weite schaffen. Und Nähe zum Herrn leben. Da liegt das Christliche. Die Tür ins Leben ist das Leben und Geschick Jesu Christi. An ihr führt kein Weg vorbei. So teuer soll es uns werden können.

Artikel mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Münchner Kirchenzeitung vom 30. April 2023 / Nr. 18.

30. April 2023 - 4. Sonntag der Osterzeit (A)

1. Lesung: Apg 2,14a.36–41 - Gott hat ihn zum Herrn und Christus gemacht
Antwortpsalm: Ps 23,1–3.4.5.6 - Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen
2. Lesung: 1 Petr 2,20b–25 - Ihr habt euch hingewandt zum Hirten und Hüter eurer Seelen
Evangelium: Joh 10,1–10 - Ich bin die Tür zu den Schafen

Thomas Hürten
Pastoralreferent, Fachreferent
Fon +49 / 89 / 21 37 - 2402
THuerten(at)eomuc.de

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