Kann eine Predigt glücklich machen?
Predigern kommen, wenn sie ehrlich sind, unweigerlich Zweifel: Wie kann ich (fast) jeden Sonntag etwas Neues formulieren? Es ist doch schon alles zig Mal gesagt! Ganz sicher haben andere vor mir diese Bibelstelle schon viel besser ausgelegt! Und überhaupt: Wer bin ich denn, dass ich Menschen beibringen könnte, wie sie ihren Gauben leben sollen?
Solche Zweifel stören bei der Vorbereitung. Sie helfen aber, zum Eigentlichen zu finden: Mir geht auf, dass ich leider viel zu oft von meinen eigenen defizitären Möglichkeiten ausgehe, anstatt dass ich Gott zutraue, sich bei mir zu Wort zu melden.
Eine Predigt kann nichts wirklich „Neues“ von Gott erzählen. Damit könnte ich niemals Sonntag für Sonntag zehn Minuten füllen. Es geht darum, dass ich dabei helfe, den Kontakt mit Gott wieder zu beleben. So wie wir uns ein Leben ohne Handy kaum mehr vorstellen könnten: Die Stimme des Anderen zu hören, Kontakt halten, dabei Stimmungen zu erkennen – das macht glücklich. Das Handy kann während einer Reise die Zeit bis zum Wiedersehen überbrücken. Solche Telefonate können ziemlich lange dauern …
Kann eine Predigt glücklich machen? Die Frage klingt schräg, ist aber nicht ganz abwegig. Wenigstens sollten Predigten helfen, die Zeit zu überbrücken: die Zeit bis zum Wiedersehen – mit Gott. Denn er will sich mitteilen, nicht etwas von sich, sondern sich selbst. Jesus ist sein Wort. Das soll in meiner Predigt zur Sprache kommen.
Natürlich braucht das Wort Gottes eine menschliche Stimme. Es braucht Worte, die gesprochen werden. Dass diese Worte niemals Gottes Wort selbst sind, ist mir bewusst. Trotzdem möchte ich Jesus mit meinen Worten eine Stimme geben, ihn sprechen lassen: Gotteswort im Menschenwort!
Für die Zuhörer muss ich als Person greifbar sein, ich muss mich bisweilen sogar angreifbar machen. Das Schlimmste wäre, wenn ich nur über mich selbst spräche, während ich versuchte, über Gott zu reden. Die Versuchung ist groß, beim Reden über den Glauben ins Theoretisieren abzudriften: so zu tun, als wisse ich Gott besser als diejenigen, die mir gerade zuhören. Ich bin kein „Gott-Kenner“ und erst recht kein „Gott-Besitzer“.
Wenn ich mir eines wünschen könnte: Dass man beim Zuhören merkt, dass der Prediger Jesus mag, dass er mit ihm spricht, dass er persönlich einen Weg mit Jesus geht, dass er sich von Jesus formen lässt, dass er glücklich ist, wenn Gott spricht, dass er glücklich ist, Gottes Wort in seinen Worten sagen zu dürfen!
Eine Predigt überbrückt ja nur die Zeit bis zum Wiedersehen. Wenn ich dadurch Menschen zu Gott hin bewegen kann, wenn ich Raum und Zeit, einen Anstoß gebe, dass Menschen selbst Gott suchen und finden, dann macht die Predigt auch mich als Prediger glücklich.
P. Martin Stark SJ
Ein Beitrag von Pater Martin Stark SJ, Kirchenrektor von St. Michael in München, in der Münchner Kirchenzeitung.
P. Martin Stark SJ
kirchenrektor.st-michael@jesuiten.org
Der Text ist freundlicherweise übernommen aus der Münchner Kirchenzeitung vom 9. Oktober 2022 / Nr. 41